Der Weg vom Steuerkataster zum Kataster heutiger Form

Einleitung
Das Liegenschaftskataster wurde ursprünglich als Grundlage für die Besteuerung der landwirtschaftlichen Nutzflächen geschaffen. Spätestens seit der Einführung der Grundbuchordnung und der darin festgeschriebenen Funktion des Liegenschaftskatasters als das Verzeichnis in welchem alle Liegenschaften nachgewiesen werden, spielt das Kataster und damit eng verbunden das Vermessungswesen eine große Rolle im Grundstücksverkehr und dem Bauwesen.
Hatte das Liegenschaftskataster am Anfang lediglich die Rolle des Registers für das Grundbuch, so wuchsen im Lauf der Zeit die Ansprüche an das Vermessungswesen, Grundlagen für eine übergeordnete Planung zu schaffen. Nach und nach wurden die übergeordneten Lagefestpunktfelder immer mehr ausgeweitet und verbessert. Mittlerweile umspannen die Festpunktfelder den gesamten Globus. Navigation per GPS (Global Positioning System) ist bei vielen Autos Standard und Teil des täglichen Umgangs.
Die folgenden Seiten zeigen Ihnen die Entwicklung des Liegenschaftskatasters bis in die heutige Zeit auf.

Geschichte des Katasters
Seit jeher hat es dem Kataster an zwei grundlegenden Faktoren gefehlt, um die Vorhaben durchzuführen, die sinnvoll gewesen wären und auch noch sind:
a) Zeit
b) Geld
Während nach Phasen der Neuerungen des öfteren Phasen der Muße vorhanden waren, fehlen doch bis in die Gegenwart fast immer die notwendigen finanziellen Mittel, um Vorhaben voranzutreiben die das Kataster erneuern oder in seiner Entwicklung fördern.

Der folgende Abriss soll einen kurzen Einblick in die Geschichte des Katasters vermitteln.
Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts oblag das Vermessungswesen fast ausschließlich den Militärs. Das änderte sich erst, nach dem in Folge der französischen Revolution und der Napoleonischen Feldzüge französisches Gedankengut nach Preußen schwappte. Mit den Stein-Hardenbergschen Reformen von 1807 sollte die bis dahin in Preußen existierende Leibeigenschaft der Vergangenheit angehören. Der Aristokratie sollten die Privilegien genommen werden, das Land sollte unter den leibeigenen Bauern aufgeteilt werden. In sogenannten Separationen wurde das Land vermessen und aufgeteilt. 1810 ordnete der preußische König die Vermessung des Reiches per Edikt an, um eine Grundlage für eine gerechtere Besteuerung zu erhalten, scheiterte aber an dem Widerstand des Adels.
Lediglich in den unter französischen Einfluss stehenden westlichen Provinzen (Westfalen, Rheinland) begann man mit den Vermessungsarbeiten. Wurden zu Anfang ausschließlich die fertigen Karten von den Landmessern abgegeben, so mussten ab 1819 auch die Feldbücher und Berechnungen archiviert werden. Von der ehemals reinen Bestimmung der Anbaugrenzen ging man immer mehr dazu über auch die Eigentumsgrenzen aufzumessen.
Bis 1834 war die Vermessung in den westlichen Provinzen abgeschlossen. Die Ergebnisse konnten sich für die damaligen Verhältnisse durchaus sehen lassen. Dies um so mehr da sie lediglich Grundlage für die Besteuerung der Ackerflächen sein sollten. Die einstmals guten Ergebnisse wurden mit der Zeit leider schlechter, weil die Fortführung der Unterlagen auf den Bürgermeisterämtern durchgeführt wurde. Örtliche Vermessungen wurden nicht durchgeführt. Statt dessen wurden die Karten auf Angaben der Eigentümer bzw. Erwerber aktualisiert.
In den östlichen Provinzen Preußens schlummerte das Kataster bis in das Jahr 1861. Zu diesem Zeitpunkt war endlich der Widerstand des Adels gebrochen, der sein Steuerprivileg (keine Steuern!) vehement verteidigt hatte. Erst 1861 wurde eine einheitliche Steuerreform für ganz Preußen verabschiedet. Sie sollte 1865 in Kraft treten. Jetzt war Eile angeboten. In nur 3½ Jahren musste für die östlichen Provinzen, fünfeinhalb mal so groß wie die westlichen Provinzen, ein Kataster aufgestellt werden. Eine schier unlösbare Aufgabe. In den Gebieten, für die es noch keine Karten gab, musste eine Neuvermessung durchgeführt werden, in den anderen Gebieten (84 % der Fläche) mussten alte Karten überarbeitet werden. Diese Karten stammten zum Großteil aus den Separationen anfangs des Jahrhunderts und waren recht ungenau. Hinzu kam, dass die Karten per Nadelkopie verfielfältigt wurden (Original auf einen Zeichenkarton gelegt und die Grenzpunkte mit einer Nadel durchgestochen). Die Kopien waren entsprechend ungenau. Dieser Fehler war man sich durchaus bewusst, sah aber in der Kürze der Zeit keine andere Möglichkeit.
Da das Kataster als Grundlage für die Bemessung der Steuern dienen sollte (Steuerkataster) wurden lediglich die Flächen vermessen, die Erträge versprachen: Weiden und Äcker. Die Ortschaften wurden nicht erfasst. Diese so genannten unvermessenen Hofräume sind ein Relikt dieser Zeit und wurden in den letzten 10 Jahren fast vollständig bereinigt.
Mit der industriellen Revolution wurde der Ruf nach beleihbaren Grundstücken immer lauter. Die Landwirtschaft, einst der Wirtschaftsmotor, verlor mehr und mehr an Bedeutung. In Konsequenz der Forderung nach beleibarfähigen Grundstücken wurde 1872 die Grundbuchordnung verabschiedet. In ihr wurde das Liegenschaftskataster als das amtliche Verzeichnis festgeschrieben, in dem alle Liegenschaften geführt sind.
Diesen Anspruch konnte das als Steuerkataster angelegt Liegenschaftskataster, besonders in den östlichen Provinzen, nicht erfüllen. Forderungen nach einer Neuvermessung wurden gestellt. Wie aber schon in der Einleitung erwähnt, scheiterte dieser Vorsatz am schnöden Mammon.
1881 erschienen die Neuvermessungsanweisungen VIII und XI, in denen strenge Regeln an die Durchführung von Vermessungsarbeiten gestellt wurden. Aus Geldmangel wurden aber nur wenige Neuvermessungen durchgeführt. Statt dessen wurde das Kataster bis heute im Rahmen der Fortführungsvermessung aktualisiert und ggf. korrigiert.
1896 wurde das Bürgerliche Gesetzbuch verabschiedet und trat 1900 in Kraft. In ihm ist die Richtigkeitsvermutung des Liegenschaftskatasters fundamentiert. Jeder, der Zweifel an der Richtigkeit des Liegenschaftskatasters hegt, muss dies nachweisen.
Diese Richtigkeitsvermutung hatte gravierende Auswirkungen auf den Grundstücksverkehr. Besonders die Flächenangabe im Liegenschaftskataster sorgte regelmäßig für Unmut bei Grundstücksverkäufen. Dies änderte sich erst mit dem Reichsgerichtsurteil von 1910 in dem festgeschrieben wurde, dass technische Größen wie z. B. die Flächenangabe nicht am öffentlichen Glauben teilnehmen.

Im weiteren Verlauf schafften die zuständigen Behörden eine Vielzahl von Vorschriften, die die Fortführung und Verwaltung des Liegenschaftskatasters regelten.
Wie alle Bereiche, so wurde auch das Vermessungswesen im dritten Reich zentralisiert. Es unterstand nun dem Reichsinnenminister, der reichseinheitliche Regelungen traf.
1934 wurde in Zusammenarbeit mit dem Landwirtschaftsministerium das Reichsbodenschätzungsgesetz erlassen. Für das gesamte Reich sollte so eine einheitliche Beurteilung der Bodenerträge ermöglicht werden. Als Referenz wählte man die Magdeburger Börde, die als das non-plus-ultra der Böden eine Punktzahl von 100 bekam. Je nach Bodenqualität und Klimafaktoren wurden für das gesamte Reich eine Bewertung der Flächen (Bodenschätzung) durchgeführt. Dieser Bewertungsmaßstab ist bis heute die Grundlage für die Besteuerung der Landwirtschaft. Die zeichnerische Grundlage (Karten) liefert das Liegenschaftskataster. Auch die Ergebnisse der Bodenschätzung(Schätzungsfolie) werden in den Kataster- und Vermessungsämtern geführt.

Mit Ende des zweiten Weltkrieges unterlag das Liegenschaftskataster wieder einer Unterteilung in Ost und West. In der späteren Bundesrepublik wurde das Vermessungswesen der Hoheit der Bundesländer zugesprochen. Die Bundesländer schufen Regelungen, nach denen das Kataster verwaltet und fortgeführt wurde. Der Anspruch des Katasters als amtliches Register für das Grundbuch wurde beibehalten. Das Kataster wurde permanent fortgeschrieben und teilweise neuvermessen. Außer in den strukturschachen ländlichen Räumen gibt es fast kein Urkataster aus dem letzten Jahrhundert mehr.

In der sowjetisch besetzten Zone wurde zwischen 1946 und 1949 die Bodenreform durchgeführt. Unter der Parole Junkerland in Bauernhand wurden etwa 50 % der landwirtschaftlichen Produktionsflächen enteignet und an Kleinbauern und Vertriebene aus den Ostgebieten aufgeteilt. Zur Aufteilung der großen Gutsflächen war eine Vielzahl von Teilungsmessungen notwendig. Leider wurden die Bodenreformmessungen in vielen Fällen nicht mit der erforderlichen Sorgfalt durchgeführt.
Mit der Gründung der LPG‘s ab 1952 verloren die bis dato durchgeführten Messungen mehr und mehr an Bedeutung. Das Grundeigentum hatte zumindest im ländlichen Raum nicht mehr den hohen Stellenwert. Entsprechend war auch der Anspruch an die Ergebnisse der Vermessung nicht mehr so hoch. Widersprüche zu den bereits bestehenden Katasternachweisen aus der Vorkriegszeit wurden toleriert. Die Qualität des Katasters unterlag einem ständigen Siechtum.

Nach der Wende wurde auch im Gebiet der ehemaligen DDR die Vermessung unter die Hoheit der Bundesländer gestellt. Das Grundeigentum gewann wieder an Bedeutung und damit auch das Vermessungswesen.
Jedes neue Bundesland der wiedervereinigten Bundesrepublik bekam ein Patenland aus den alten Bundesländern, dessen Katastersystem dann übertragen wurde. In Brandenburg wurden die Regelungen aus Nordrhein-Westfalen als Vorlage verwendet. Entsprechend war bis 1999 der Fortführungserlass II aus Nordrhein-Westfalen für die Fortschreibung des Katasters anzuhalten.
Bis heute haben die Vermesser damit zu kämpfen, die Vermessungen aus DDR-Zeiten mit den engen Fehlertoleranzen der jetzt gültigen Vorschriften in Übereinstimmung zu bringen. Da auch heute für aufwendige Neuvermessugen keine Mittel zur Verfügung stehen, wird das Kataster in den neuen Bundesländern, ähnlich wie in den alten Bundesländern nach dem Krieg, durch die sogenannte allmähliche Neuvermessung aktualisiert und verbessert. Das heißt, dass bei Teilungsvermessungen etc. das Kataster in der unmittlebaren Nachbarschaft ebenfalls untersucht und fortgeführt wird. Auf diesem Weg werden wir in den nächsten 20 Jahren zumindest in den Siedlungskernen das Urkataster aufarbeiten können und einen ähnlichen Stand erreichen, wie er in den alten Bundesländern vorherrscht.